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Esaite-Berichte: WARWICK Streamer LX 5 Broadneck

Ich schlage mal gerade meine Chinakladde auf, um mir die Spezifikationen zu vergegenwärtigen. Diese Wuchtbrumme erreicht schon bald ein Gewicht von 5 kg (genau genommen 4,72 kg). Zweiteiliges Riegelahorn trifft auf einen fetten Bubinga/Wenge-Hals. Broadneck heißt hier dick und breit. Viel Platz zum Austoben für große Hände oder eben eher geübte bewegliche Bassspieler. Einem Anfänger wohl keinesfalls zu empfehlen - sorry.

Die Stärke des Halses beginnt am 1. Bund mit 21,9 mm, kommt am 5. Bund bereits auf 23,0 mm und erweitert sich zum 12. Bund auf 26,0 mm. Die Breite am Messing-Sattel (Webster-Style) liegt bei gut 47,0 mm. Am 5. Bund sind wir bei 58,8 mm und messen am 12. Bund satte 71,8 mm. 9 mm sind die Saiten auf dem Sattel von einander entfernt. Am anderen Ende auf der Brücke ist die Distanz bei erwachsenen 19,7 mm. Der - sagen wir mal - Knüppel ist dreiteilig plus aufgeleimten Griffbrett gefertigt, also insgesamt stabil aus vier Stücken Holz zusammengesetzt.

Der Body ist angenehmstens konturiert. Seine Stärke liegt entsprechend zwischen 36 und 42 mm. Das Design ist bei Spector abgeschaut: Auf der Oberseite gewölbt und unten leicht ausgehöhlt (konvex/konkav). Dank CNC-Fräsung per Computer relativ schnell erledigt, wenn man mal die Einrichtung nicht mit rechnet. Das Ganze wurde geölt und gewachst. Daher gegen Stöße und Benutzereinwirkung nicht so gut geschützt wie bei einer Lackierung. Das gute Stück braucht also immer wieder Pflege und etwas Obacht im laufenden Betrieb. Nichts für Rabauken.

Mittlerweile haben wir so viel Erfahrung gesammelt, dass wir prima individuelle Saitenlagen justieren können, was das Wesentliche für Bespielbarkeit und letztlich auch den Klang darstellt. Gerade haben wir wieder 2 Bassspieler glücklich gemacht. Oben im Bild die Saitenhöhe über dem letzten Bund (H-Saite 24.) als auch der Abstand zu den Pickups (Seymour Duncan Basslines Soapbars (11,4 kOhm)).

Die Elektronik lässt sich aktiv und passiv betreiben. Der gezogene Volumenregler schaltet auf passiv. Bässe und Höhen sind absenk- und anhebbar mit Mittenraste. Dazu ein Panorama-Regler für die Balance zwischen den Pickups. Bedeutsam auch die Position des Neck-PUs. Der sitzt nämlich näher an der Brücke als bei anderen Modellen bzw. Typen. Das bringt mehr Platz zwischen Griffbrettende und Kappe, aber nimmt auch einen Teil der Bauchigkeit des Tons zugunsten von Straffheit und Definition. Was man halt so sucht oder braucht...oder hier nun nicht bekommt.

Wenn ich das richtig sehe, hat dieser Bass knapp 20 Jahre auf dem Buckel. Er hat so seine Macken abbekommt, ist aber sonst gut in Schuss. Die H-Saite ist die Wucht. Selten so etwas Massives in den Finger gehabt. Weil die H-Saite hier verjüngend ausläuft, ist die Intonationseinstellung unüblich weit nach vorne platziert, da an dieser Stelle nicht die normale Steifheit der dicken Saite zum Tragen kommt. Die Warwick-Brücke ist für Laien wegen der umfangreichen Einstellungsmöglichkeiten (3-D) kompliziert zu handhaben. Wer nicht dauernd an Bässen fummelt, sollte es besser von jemandem vom Fach erledigen lassen. Ansonsten nimmt ein neues Alltagsdrama seinen Lauf.

Für wen ist so ein Instrument geeignet? Hm, erst einmal schaut man nicht in die Wechselgelddose. Das wird nicht reichen. Hat man die Kröten passend parat, wäre es sinnvoll, sich klarzumachen, dass dies kein typischer Slapbass ist. Was nicht heißt, dass man es nicht versuchen sollte. Die schiere Masse bietet ein hervorragendes Sustain. Der Ton präsentiert sich mit knurriger Holznote und immensem Druck. Zum Vergleich wirkt ein fenderartiger Vierseiter mit schlankem Hals leider etwas harmlos bis piffig. Soetwas sollte man aber tunlichst vermeiden. Denn für sich gesehen ist dieser 4-Saiter auch ein gutes Teil. Allerdings mit anderen Eigenschaften. Na, Äpfel und Birnen, ihr wisst schon.

Die Auseinandersetzung mit dem Streamer LX gestaltet sich als ein überaus lohnenswertes Unternehmen. Fühlt man sich überfordert, legt man ihn vielleicht eine Weile beiseite, arbeitet an sich und seinen Fähigkeiten, bis man dann für diesen Bass reif ist. Tut mit leid, das klingt etwas eigenartig, ist nicht der eigenen Unartigkeit geschuldet, sondern reflektiert den eigenen Werdegang. Was mir nicht so gut gefällt, wäre allenfalls die Wirkungs- weise der Elektronik. Die könnte vielleicht mal getauscht werden. Zumal heutzutage an jeder Ecke Besseres zu haben ist (Noll, Glockenklang, SD).

Addendum. Die Tage hatte ich hier Besuch von einem Ex-Warwick-Mitarbeiter. Wenn man sich dann die internen Geschichten aus dem Hause Wilfer anhört, hat man zunächst keine große Lust mehr seine Produkte zu kaufen. Sicher, Ehemalige sind nicht ohne Grund jetzt woanders beschäftigt. Das hat ja immer zumindest zwei Seiten. Selbst wenn man den Horrorzuschlag von solchen Erzählungen wieder abzieht, bleibt ein durchaus merk-würdiger Nachgeschmack.
Beruht unternehmerischer Erfolg in unserer Gesellschaft nach wie vor weitgehend auf verdeckter Geringschätzung der Geschäftspartner, Kamera-Überwachung des Personals, trickreicher Unterschreitung des Mindestlohn? Rechtfertigen unsere Ziele jedes Mittel? Allein die Fragen für sich grenzen doch ans Lächerliche. Packen wir uns an das eigene äußere Geruchsorgan, wird es wieder ganz stille und die Aufregung verfliegt. Der verdrehte Witz "Lieber reich und gesund als arm und krank", bringt das Dilemma auf den Punkt. Also, vielleicht einfach mal 'ne Tasse Kaffee für den schlappen Kreislauf klarmachen. Wo viel Licht ist, findet man auch viel Schatten, sagt der Volkmund zutreffend. Wir wollen es nur einfach nicht wahrhaben.